Die meisten Menschen geben ihr Wissen gerne freiwillig weiter, sofern sie ein bzw. das richtige Publikum haben. Unternehmen haben deshalb längst erkannt, dass sie von Social Software profitieren können: Wikis, interne Blogs und Micro-Blogging, Instant Messaging etc. haben das Potenzial, die interne Kommunikation maßgeblich zu verändern. Das kann signifikante positive Auswirkungen für Unternehmen haben, nämlich
- eine effektivere und effizientere Zusammenarbeit,
- weniger E-Mails und Meetings und
- transparentere und schlankere Projekte.
Die Modernisierung der Unternehmenskommunikation scheitert jedoch häufig, weil althergebrachte Arbeitsmethoden einfach auf die neuen Technologien übertragen werden. Um vom Wissen aller Mitarbeiter zu profitieren, setzen immer mehr Unternehmen insbesondere auf Wikis. Leider unterläuft vielen dieser Unternehmen dabei ein schwerwiegender Fehler, der im Besser-2.0-Blog als Wikipedia-Irrtum bezeichnet wird.
Scheitern an der 90-9-1-Regel
Ein häufiger Trugschluss ist die Annahme, es wäre erfolgversprechend bzw. überhaupt möglich, Wikipedia im eigenen Intranet nach dem Motto abbilden zu wollen: „Wir realisieren ein eigenes Online-Lexikon, an dem sich alle beteiligen. Social Software in Form eines Wikis ist die einzige Voraussetzung für erfolgreiches Wissensmanagement.“
Das ist ein Missverständnis und kann nicht funktionieren, weil die bekannte 90-9-1-Regel deutlich zeigt:
Im Internet (und eben auch bei Wikipedia) steuert lediglich ein Prozent der User den Großteil der nutzergenerierten Inhalte bei, neun Prozent beteiligen sich gelegentlich an der Content-Produktion und neun von zehn Nutzern erstellen niemals Web-Inhalte, sondern konsumieren ausschließlich. Dieses Phänomen ist vielfach nachgewiesen worden. Ein Portal wie Wikipedia funktioniert also nur aufgrund der schieren Masse ausgezeichnet: Ein Prozent der User ist hier immer noch eine beeindruckende Ansammlung von Personen.
Es wäre also fatal anzunehmen, es würde genügen, ein Wiki im Intranet einfach zur Verfügung zu stellen. Erfolgreiches Wissensmanagement ist nämlich keine zwangsläufige Folge und entsteht nicht durch das bloße Vorhandensein eines Systems. Hier kann das Wikipedia-Modell nicht funktionieren: Denn betrachtet man ein Prozent der Mitarbeiter eines Unternehmens, sind die Zahlen zumeist weniger eindrucksvoll, wenn man nicht gerade Google, IBM oder Lufthansa heißt.
Ein Wiki allein ist also kein Garant für eine automatisch sprudelnde Unternehmenswissensquelle. Um dies zu werden muss im jeweiligen Unternehmen die 90-9-1-Regel erst außer Kraft gesetzt werden.
Voraussetzung: Integration von Social Software auf drei Ebenen
Jede Beteiligung an einem neuen System basiert natürlich auf freiwilliger Basis. Der Schlüssel zum Erfolg von Social Software ist die Integration auf mehreren Ebenen, nämlich auf technologischer, organisatorischer und unternehmenskultureller.
Das nur vermeintlich geringste Problem ist die Anbindung an die technologische Infrastruktur durch eine professionelle IT-Abteilung. Allerdings sind gerade bei einem neuen System Skalierbarkeit, Verfügbarkeit und Performance von essenzieller Bedeutung und entscheidende Erfolgsfaktoren.
Manche Mitarbeiter stehen einem neuen System per se skeptisch gegenüber, noch mehr Mitarbeiter allerdings einem neuen System, das nicht in vorhandene, gewohnte Strukturen integriert ist und wie ein Fremdkörper im Arbeitsumfeld wirkt. Deshalb ist z.B. ein individuelles Wiki-Layout, das den Vorgaben des Corporate Designs entspricht, von so großer Bedeutung. Jedes Unternehmen muss sich zudem fragen, welche Abläufe sinnvollerweise ins Wiki verlagert und wie solche Prozesse angekurbelt werden können. Hierbei haben sich insbesondere sogenannte „Wiki Pilots“ als wertvoll und hilfreich erwiesen.
Die Integration auf Mitarbeiterebene ist der wohl wichtigste Faktor bei der Etablierung von Social Software, denn hiermit geht eine Veränderung der Kommunikationskultur im Unternehmen einher, in der Offenheit als Regelfall begriffen wird. Das bedeutet ein aktives Vorantreiben der Veränderung der Kommunikationsgewohnheiten in einem Unternehmen. Die Ansätze sind vielfältig und erprobt (Graswurzelkonzept, exklusives Ablegen von Inhalten im Wiki, Verlagerung bestimmter E-Mail-Diskussionen), müssen aber sämtlich ineinandergreifen, um erfolgversprechend zu sein.
Das Ziel ist also nicht die Social Software an sich, sondern der Aufbau einer Wissensinfrastruktur im Unternehmen mithilfe von Social Software wie Wikis. Erst durch eine erfolgreiche Integration auf allen Ebenen tritt die 90-9-1-Regel außer Kraft und erst dann wird ein Social-Software-System zum Erfolgmodell: Dann nämlich tendiert der Anteil an Mitarbeitern, die häufig und aktiv im Wiki agieren, gegen 60%.
Präsentation: Unternehmenskommunikation 2.0
Das Team von T-Systems, das den Besser-2.0-Blog betreibt, hat sich einmal mehr in aller Ausführlichkeit des Themas moderne Unternehmenskommunikation angenommen und sich die Mühe gemacht, eine hervorragende und sehr anschauliche, dreiteilige Präsentation zum Thema Unternehmenskommunikation 2.0 und Social Software zu entwickeln, auf die wir gerne hinweisen möchten.
Der Wikipedia-Irrtum: Wissensmanagement im Enterprise 2.0
Die Entdeckung des Menschen: Wissensmanagement im Enterprise 2.0
Anleitung zum Handeln: Wissensmanagement im Enterprise 2.0
Weiterführende Informationen
Unsere spezielle Seite zum Thema Firmenwikis
Ein Unternehmens-Wiki ist nicht Wikipedia
Erfolgsfaktoren für Wikis: Auswertungen, Design, Showcases
Die Top-10-Tipps zur Wiki-Einführung
Wikis brauchen ein individuelles Design
Was Milch uns über die erfolgreiche Wiki-Einführung lehrt
Mehr über die Creative-Commons-Lizenz erfahren
Vielleicht muss man die “Nützlichkeitsanforderungen” und Erwartungen an Wiki-Software höher schrauben. Wenn es, wie jede Verwaltungssoftware, zu einem Tool wird ohne das man nicht mehr arbeiten kann, dann hat man es geschafft. Doch wie kriegt man ein Unternehmens-Wiki an diesen Punkt? Indem es nicht nur als Bibliothek konzipiert wird sondern auch Transaktionen ermöglicht, beispielsweise elektronische Formulare mit Genehmigungsprozessen abbildet. Die Kombination aus Hilfe/Info-Seiten und Transaktionen erscheint mir vielversprechend.
Ich habe nicht das Gefühl, dass man die “Anforderungen” sondern eher das “Verständnis für die Funktionen und Wirkungsweisen” eines Wikis erhöhen muss. Die meisten Unternehmen sind schon froh, wenn Sie ein Problem mit dem Wiki lösen können und intern eine bessere Lösung als bisher etablieren. Das mit dem Wiki in der Regel noch viel mehr Vorteile einhergehen ist nett, überfordert viele Projekte jedoch zu Beginn. Deshalb empfehlen wir einen Wiki-Piloten, der sich auf ein wichtiges Problem konzentriert und dieses löst.
Stimme Ihnen zu, allerdings ist nicht immer vorherzusehen, in welche Richtung sich die Wiki-Nutzung entwickelt. In einem Fall beispielsweise führte einer unserer Kunden, ein Industrie-Unternehmen (Produktionsautomatisierung) aus den USA, telepark.wiki ein um eine “allgemeine Wissensdatenbank” zu etablieren. Nach kurzer Zeit kristallisierten sich zwei Hauptnutzer heraus: 1) Ingenieure und Produktentwickler präsentierten Skizzen und 3D-Entwürfe in Wiki-Seiten und diskutierten über die Kommentarfunktion. Und 2) die Bereichsleiter füllten vordefinierte “Powerpoint-artige” Präsentationsseiten (teilweise editierbar, ist ja ein Wiki) mit Kennzahlen ihrer Bereiche, sodass automatisch am Monatsende die fertige Top-Management-Präsentation stand (anstatt dass eine Sekretärin eine Woche den Zahlen hinterher telefonieren und PPT per Email verschicken musste). Beides hatten wir nicht antizipiert.
Ja, das kann passieren. Aber sowas ist zu Beginn für ein Unternehmen nicht so leicht vorstellbar, wie ein einzelner spezifischer Nutzen. Ich bin auch dafür, dass Wiki schnell für alle zu öffnen, die beitragen möchten. Aber meine Erfahrung ist, dass Unternehmen eine speziellen Nutzen und eine Lösung für ein bestehendes Problem brauchen und ein Wiki nicht als eierlegende Wollmilchsau zur omnipotenten Nutzung eingeführt werden kann.