Das glückliche Intranet (Teil II)

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Das Intranet ist kein Spiegel des Unternehmens. Wer daran glaubt, ist leider auf dem Holzweg. Vielmehr ist das Intranet typischerweise ein Spiegel ganz bestimmter und meistens klar ausgewiesener Unternehmensbereiche oder Einzelpersonen. Manchmal sogar sind es nur sehr wenige Einzelpersonen, die sehr große Intranets verantworten. Deshalb sollten diese Personen auch besonders viel verstehen, erkennen und können.

In einem früheren Artikel habe ich den Begriff des "Glücklichen Intranets" aufgenommen - mit der Erkenntnis, dass natürlich nicht das Intranet selbst glücklich sein soll (was sich hoffentlich allen Nichtesoterikern intuitiv erschließt), sondern dass es für seine Anwender im Arbeitsalltag hilfreich sein und diese im Idealfall "glücklicher" machen soll.

Dieser Anspruch führt uns direkt zurück zu den Intranet-Verantwortlichen im Unternehmen, insbesondere zu ihrer Gestaltungskraft und vor allem zu ihrer Gestaltungsintention. Gerade letztere wird bei der Besetzung von Verantwortlichkeiten oft unterschätzt, obwohl sie bereits vorab Tendenzen für die Zukunft des Intranets aufzeigen kann und Aussagen zur Gelingenszuversicht zulässt.

Für den Alltag heruntergebrochen heißt das beispielsweise: Wenn ein Social Intranet von einem Empathielegastheniker verantwortet wird, ist das Thema "social" schnell fertig. Zu erwarten sind neben nüchtern systematisierten Ablagestrukturen umgrenzte Brot-und-Spiele-Arrangements, die die Leute bei Laune halten oder ggf. vom Fehlen wichtigerer Themen ablenken sollen. Die Gestaltungsintention liegt dann klar im Instrumentellen.

Als Hilfestellung zur Personenauswahl möchte ich eine kleine praxisbezogene Archetypenlehre für Intranet-Verantwortliche anbieten, um Kandidaten vorab etwas abklopfen zu können. Die Archetypen könnten z.B. zur Selbsteinschätzung vor einem Bewerbungsgespräch ausgeteilt werden, mit Skala von -- bis ++. Die Selbsteinschätzung wäre dann ein pragmatischer Gesprächseinstieg.

Die fünf Hauptarchetypen für Social-Intranet-Verantwortliche sind:

1. Der Versteinerte

Damit sind in diesem Fall nicht die überzeugten Anthroposophen in der Wirtschaft gemeint, sondern im Gegenteil jene empathiebefreiten Führungskräfte, die qua Job und Persönlichkeitsstruktur kühl, zweckrational und kennzahlenbasiert agieren und entscheiden. Sie kommen ausgesprochen selten vor und sehen "social" im Intranet als niederes Treibmittel für die arbeitende Unterschicht an. Wenn sie selbst vermeintlich sozial agieren, dann aus strategischem Kalkül.

2. Der Beau

Ebenfalls ein sehr seltener Haupttyp, und wenn er auftritt, dann meistens in der Leitung von Stabsstellen, die etwas mit Marketing und Kommunikation zu tun haben. Für ihn ist ein Social Intranet ein Feedback-Generator, vor allem für sich selbst: Er gibt etwas hinein und bekommt ganz viel positives Feedback zurück. Erhält er zu wenig positives Feedback, verliert er schnell das Interesse und macht wieder Print.

3. Der lüsterne Social-Media-Junkie

Die Abkürzung bekommen Sie selbst hin. Er lebt zu wesentlichen Anteilen im Virtuellen und "ernährt" sich gewissermaßen von seinem und anderer Wirken in sozialen Medien; der Hunger ist unstillbar. Wird das Bedürfnis befriedigt, entsteht nach kurzer Zeit ein neues Verlangen - in gesteigerter Form. Gar nicht so selten. Für das Unternehmens-Intranet ziemlich kritisch.

4. Der Scheinsoziale

Er meint, selbst sozial und kooperativ zu sein, liegt dabei aber völlig daneben. In Wirklichkeit ist er ein Patriarch mit Hang zu Selbstbetrug und Lebenslüge. Dabei verursacht er immer wieder Ärger und verliert regelmäßig sein Gefolge, erkennt aber nicht, warum. Für die Verantwortung von Social Intranets ein kritischer Fall, kommt öfter vor als man denkt.

5. Der Wunscherfüller

Er setzt alles um, was an ihn herangetragen wird, denn er versteht "social" so, dass er selbst sozial zu allen anderen ist. Er möchte niemanden zurückweisen. Damit entsteht im Intranet ein buntes Durcheinander, was sich in diesem Sinne auch sozial gegenüber dem Dienstleister auswirkt, der den vorzeitigen Relaunch übernimmt. Aus Sicht der Lieferanten kommt dieser Typus viel zu selten vor.

Für alle Haupttypen gilt natürlich auch die weibliche Form. Und es gibt zahlreiche Untertypen; wer möchte, kann dem Autor gerne Hinweise für die weitere Arbeit zuleiten.

Möglicherweise wird nach der Veröffentlichung dieser Archetypenlehre vieles anders und die Welt ein ordentliches Stück besser. Bezogen auf Gegenwart und Vergangenheit stellt sich die Frage, auf welchen Wegen manch amtierende Personen der beschriebenen Kaliber in die Rolle von Intranet-Beauftragten kommen konnten.

Hierzu gibt es zwei unmittelbare Antworten:

a) Es war volle Absicht. Das "Social" im Intranet soll genau den oben beschriebenen instrumentellen Zweck haben, die soziale Dimension strategisch ausrollen und die Belegschaft befrieden, zu weiterer Produktivität aktivieren oder satt halten.

b) Keiner hat’s gemerkt, da die beteiligten Entscheider vom gleichen Schlag sind wie der Berufene. Schön beschrieben ist dieses Phänomen im Klassiker von Lawrence Peter, "Das Peter Prinzip", demnach in Hierarchien ein jeder solange aufzusteigen vermag, bis er schließlich die Stufe seiner Inkompetenz erreicht hat.

Und so wurde es dann eben leider auch diesmal nichts mit dem glücklichen Intranet. Tut mir sehr leid. Das Thema ist noch lange nicht abgehandelt.

Drei Fragen bleiben abschließend noch offen:

  • Ist das Ideal eines "Glücklichen Intranets" nicht möglicherweise völlig old-school oder zumindest ein bisschen naiv? Welche Konzepte wären zeitgemäßer?
  • Könnte gelegentlich mal jemand die entwickelte Archetypenlehre als kleines Tarot-Set für Moderatorenköfferchen bereitstellen?
  • Inwiefern wäre es hilfreich, Unternehmensintranets hinsichtlich der Glücksdimension nicht als Ganzes, sondern in Bereiche segmentiert zu betrachten und die einzelnen Segmente hinsichtlich ihrer Besonderheiten zu untersuchen?

Im nächsten Blog-Artikel geht es um Erleichterungen durch automatisierte Kommunikation, die so lebensnah gestaltet ist, dass man’s nicht merkt.

Karsten Wendland ist Leiter des Instituts für Informationsgestaltung und Komplexitätsreduktion ininko® (www.ininko.de) im Steinbeis-Verbund und Professor für Medieninformatik an der Hochschule Aalen. Seine aktuellen Arbeitsschwerpunkte sind Digitalisierung der Arbeitswelt, Informationsmanagement und Technikgestaltung. Hier finden Sie eine Übersicht über alle Gastbeiträge von Karsten Wendland im //SEIBERT/MEDIA-Blog

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1 thoughts on “Das glückliche Intranet (Teil II)”

  1. Sehr interessanter Artikel. Meiner Meinung nach ist die Bedienerfreundlichkeit eine der wichtigsten Facetten des “Glücklichen Intranets”. Einer der drei normierten Grundpfeiler der Bedienerfreundlichkeit ist die Zufriedenheit, die fern betrachtet mit dem “Glücklichsein” verwandt ist. Daher empfinde ich es als sehr wichtig, verschiedene Arten von Anwendern als Stakeholder bei diversen Konzeptionen mit in das Boot zu holen, um sich somit dem Ideal eines Spiegels des Unternehmens, wenn auch nur in kleinem Schritte, anzunähern.

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