Lean Startup: Ein mehrseitiges Geschäftsmodell beschätzen (Teil 2)

Im ersten Teil des Artikels hat der Autor erläutert, wie sich ein minimales Erfolgskriterium für die Beschätzung eines mehrseitigen Geschäftsmodells definieren lässt. Dieses soll nun im nächsten Schritt in eine besser handhabbare Zahl konvertiert werden.

Das minimale Erfolgskriterium in eine Kunden-/User-Durchsatzzahl konvertieren

Wir müssen unser Ziel des minimalen Erfolgskriteriums in eine besser zu handhabende Zahl konvertieren. Ich bevorzuge Kundendurchsatz, der auf die Metapher der Kundenfabrik zurückgeht.

Das universelle Ziel eines jeden Business' besteht darin, glückliche Kunden zu produzieren.

Glückliche Kunden bezahlen uns, und dass sie das wiederholt und kontinuierlich tun, ist das Ziel eines jeden Geschäfts. Doch in diesem Fall müssen wir erst glückliche User produzieren und dann Kunden finden, die für deren Glücklich-Sein zahlen.

Multisided Business 1

Ich zeige nun zwei Wege, um unseren Kundendurchsatz gegen unser minimales Erfolgskriterium zu beschätzen:

a) Modellierung gegen unsere nächsten Analogs

Wenn Facebook eine höhere Bewertung als seine Konkurrenten verlangen wollte, müsste es sie übertreffen. Also ist es hilfreich, mit einem Benchmark der tatsächlichen Zahlen anzufangen.

Bei Friendster registrierte sich der dreimillionste User nach einigen Monaten (Quelle), während MySpace den fünfmillionsten Nutzer innerhalb des ersten Jahres begrüßte (Quelle).

Trotz dieser beeindruckenden Startzahlen mussten beide Dienste jedoch erfahren, dass Nutzerbindung und Beteiligung zurückgingen.

Eine der Kerneinsichten hinter dem Erfolg von Facebook war die, dass sie versuchten, Reibung aus den zuvor bestehenden sozialen Netzwerken zu entfernen, statt zu versuchen, ein ganz neues zu erschaffen (wie die Konkurrenten).

Statt eines öffentlichen Launchs führten sie einen stufenweisen Rollout durch, der es erlaubte, Kundensegmente einzukreisen, der Skalierungsbedenken nahm (was für Friendster ein großes Problem gewesen war) und der den Fokus darauf richtete, zunächst eine wiederholbare Kundenfabrik richtig hinzubekommen.

Facebook gewann durch die Strategie, nicht durch die Vision.

Multisided Business 2

Wiederholbarkeit zu etablieren, ist eine Notwendigkeit für Wachstum.

Facebook verzeichnete den millionsten Nutzer gegen Ende des ersten Jahres und den fünfmillionsten User nach zwei Jahren. Die initiale Adaptionsrate war langsamer, aber Facebook wies eine viel höhere Bindung und Beteiligung auf, die in einen viel höheren ROI für die Kunden übersetzt wurde (Werbetreibende).

Während das Benchmarken gegen den Nutzerdurchsatz unserer Analogs ein vernünftiger Ausgangspunkt ist, bleiben doch viele riskante Annahmen (oder Vertrauensvorschüsse) auf dem Tisch.

Vertrauensvorschuss #1: Bewertungen bleiben konstant

Wie bei jedem derivativen Vermögenswert ist die einzige Konstante die, dass Bewertungen als eine Funktion der Zeit und der Investitionsumgebung wild fluktuieren. Die derivate Vermögenswert ist hier die Zahl der aktiven Nutzer. Damals war es ein großes Ding, eine Million aktive User in einem Jahr zu bekommen. Doch die Potenzgesetze von Netzwerken als Plattformen haben die Messlatte höher gelegt für das, was wir heute als imposante Nutzerbindung bezeichnen würden.

Die Akquise von Instagram für eine Milliarde und der Kauf von WhatsApp für 19 Milliarden zeigen die Geschwindigkeit und die Volatilität dieser Veränderungen in Sachen Nutzerwachstum und Bewertung.

Vertrauensvorschuss #2: Jemand (der Kunde) wird für diese User zahlen

Mit dem Interesse, früh ins Spiel einzusteigen, müssen auch Investoren und Erwerber ihre Bewertungen früh abgeben – manchmal sogar bevor es eine Demonstration davon gibt, wie der derivative Vermögenswert zu Geld konvertiert werden wird.

Das kann oft zu Situationen führen, in denen es nicht ausreicht, nur ein imposantes Nutzerwachstum zu haben. Sie brauchen ein phänomenales Nutzerwachstum und phänomenale Beteiligung. Twitter und Snapchat sind Beispiele dafür.

Im Falle einer Akquirierung brauchen Sie nur einen Käufer, der Ihnen diese Vertrauensvorschüsse gibt. Bei Investoren oder IPOs müssen Sie andere davon überzeugen, dass Sie einen Weg finden werden, um Gold aus Ihren Usern zu extrahieren. Der Kauf von Skype für mehr als eine Milliarde durch eBay und der Weiterverkauf mit Verlust zeigen das Potenzial an Abwärtsmobilität dieser Bewertungen.

Während es hilfreich ist, gegen derzeitige Analogs im Hinblick auf Kundendurchsatz zu benchmarken, empfehle ich aus den eben genannten Gründen, diese Zahlen gegen unsere eigenen Geschäftsmodellannahmen gegenzuchecken, was wir jetzt auch tun werden.

Wenn Ihr Konkurrent so planlos ist wie Sie, kann es fatal sein, sich einfach gegen ihn zu verankern und zu positionieren.

b) Den Umrechnungskurs für die derivative Währung berechnen

Beim letzten Mal haben wir den Wechselkurs der derivativen Währung berechnet, sodass ich es hier nicht nochmals tun muss.

Der Wechselkurs der derivativen Währung ist die derzeitige Marktrate für unseren User-Vermögenswert.

Das hier war das komplettierte Canvas mit spezifischen Pricing-Zahlen:

Multisided Business 3

Nun, da wir ein spezifisches Pricing in unserem Modell haben, können wir dieses nutzen, um zu beschätzen, wie viele aktive Nutzer wir brauchen werden. Um das zu tun, müssen wir die 100-Millionen-Bewertung zuerst auf eine besser greifbare Umsatzzahl reduzieren.

Ein oft genutzter Ansatz für solche Bewertungen ist die Nutzung eines Umsatz-Multiples. Die Herausforderung bei Umsatz-Multiplen ist die, dass sie über die Zeit und das Unternehmensstadium/-wachstum hinweg stark variieren können. Man kann trotzdem zu einer vernünftigen Spanne kommen, indem man die Bewertungen anderer naher Analogs (oder Peers) zum gegenwärtigen Zeitpunkt studiert. Im Jahr 2014 rangierte dieses Multiple von 5x (für Google) bis 20x (für Twitter), siehe diese Quelle.

Eine vernünftige Zahl könnte 10x sein (was zufällig auch das aktuelle Umsatz-Multiple von Facebook zu sein scheint). Um also eine 100-Millionen-Bewertung aufzurufen, müssen wir 10 Mio. Dollar Umsatz pro Jahr generieren.

Die Rechnung mit den Ein-Dollar-CPM ergibt 10 Mrd. Impressions pro Jahr, 800 Mio. Impressions pro Monat und 27 Mio. Impressions pro Tag. Wir haben's fast geschafft ...

Um die Zahl der aktiven Nutzer zu erhalten, brauchen wir eine weitere Annahme im Modell: die durchschnittliche Zahl der monatlichen Page-Views pro User. 2010 hatte Facebooks engster Konkurrent Hi5 durchschnittlich 351,2 monatliche Page-Views pro User. MySpace kam auf 261,8 (Quelle). Auch hier übertraf Facebook mit 661,8 monatlichen Page-Views beide.

Nehmen wir weiter an, dass es für Facebook keinen Weg gab, dies vorherzusehen, und dass sie von deutlich geringeren 300 monatliche Page-Views pro User ausgegangen waren. Um 10 Mio. Dollar Umsatz pro Jahr zu generieren, hätte Facebook zum Ende des zweiten Jahres 800 Mio. Impressions pro Monat oder 2,67 Mio. monatliche aktive User benötigt.

Im dritten Teil dieses Artikels zeigt der Autor, wie das Geschäftsmodell gegen das minimale Erfolgskriterium getestet wird.

Dieser Artikel wurde im Original am 23. Oktober 2014 unter dem Titel How to Ballpark a Multi-sided Business Model von Ash Maurya veröffentlicht. Ash Maurya gehört zu den führenden Köpfen der internationalen Gründerszene und ist einer der renommiertesten Experten für Lean Startup und Customer Development. Seinen Weblog finden Sie unter http://practicetrumpstheory.com. Die Website seines Unternehmens Spark59 erreichen Sie unter http://spark59.com. Mehr Fachartikel bietet unser Lean-Special.

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