Jenseits des User-Experience-Wendepunkts (Teil 2)

Im ersten Teil des Artikels hat der Autor am Beispiel von Disney beschrieben, wie Unternehmen etwas erreichen, was er als UX-Wendepunkt bezeichnet, und ist auf die verschiedenen Phasen der Geschichte des UX-Designs in Organisationen eingegangen.

Startups haben den Wendepunkt-Vorteil

Nicht jede Organisation durchläuft all diese Phasen. Die bemerkenswertesten Ausnahmen sind Startups. Wenn die Gründer verstehen, inwiefern User Experience und UX-Design ihnen einen Wettbewerbsvorteil bescheren, bauen sie es von Anfang an ein.

Wir sehen das bei Organisationen wie Cirque du Soleil, Uber und Nest. In diesen Unternehmen musste weder das höhere Management erst vom Wert, den UX-Design bietet, überzeugt werden, noch mussten sie Altsysteme und überholte Kulturen überwinden, die nie für gutes Design ausgewiesen waren.

Stattdessen schufen sie großartige Kunden- und Nutzererlebnisse vom ersten Tag an und machten auch so weiter. Die Konkurrenten fanden sich schnell in einem Wettlauf wieder und versuchten, durch die Phasen zu eilen, um den Wendepunkt zu passieren.

In vielen Fällen gelangen diese Konkurrenten nie dorthin. Schauen Sie sich Microsoft an. Sie sind zwar mit Produkten wie der XBox recht erfolgreich, haben die Veränderung aber nie geschafft, die Toleranz für schlecht designte Elemente zu senken. Wenn es hart auf hart kommt, liefern sie etwas aus, das weniger als ideal ist, um ihre Deadlines zu schaffen, statt das Release-Datum anzupassen, damit sie ein exzellentes UX-Design erreichen können.

In diesen Organisationen wird das höhere Management für das Liefern von Features belohnt und nicht für hervorragende Nutzererlebnisse. Ohne anders ausgerichtete Anreize werden sie den UX-Wendepunkt nie überqueren.

All das ist schonmal passiert

Schauen sie in ein beliebiges Geschäftsfeld unserer Tage und Sie werden in jedem Winkel Technologie arbeiten sehen. Noch vor ein paar Jahrzehnten gab es in so gut wie keinem Geschäftszweig irgendwelche Technologie. Keine Datenbanken und Netzwerke, keine Personalcomputer und vielleicht nicht mal einen Großrechner irgendwo in einem wassergekühlten Raum. Die Informationstechnologie der heutigen Geschäftswelt ist ein ziemlich neues Phänomen.

Ähnlich dem heutigen UX-Wendepunkt, gab es vor etwa 25 Jahren einen IT-Wendepunkt. Vor diesem IT-Wendepunkt gingen die Geschäfte ihren Gang, indem die Arbeit darin bestand, Papiere weiterzugeben und direkt mit Leuten zu sprechen. Das Business war langsam und skalierte oft nicht sehr hoch.

Als die Technologie aufkam und dann billiger in der Anschaffung wurde, adaptierten einige Unternehmen sie direkt und überquerten den IT-Wendepunkt mit Freuden. Andere wurden mitgeschleift, die ganze Zeit um sich tretend und schreiend. Viele überquerten den Wendepunkt nie. Sie weilen heute nicht mehr unter uns.

Wie beim UX-Wendepunkt mussten neue Unternehmen, die in jener Ära geboren wurden, die Reise bis über den IT-Wendepunkt hinweg nicht durchlaufen. Weil sie starteten, als ihnen die richtige Technologie zur Verfügung stand und sie ein umfassendes Verständnis davon hatten, wie sie zu nutzen ist, waren sie sofort wettbewerbsfähig gegenüber den etablierten Stützen ihrer Industrie. Alte Unternehmen, die dachten, sie wären unbezwingbar, fanden sich unversehens verwundbar durch Startups, die das richtige technologische Know-how hatten.

Das ist es, was wir auch beim UX-Wendepunkt sehen. Schon bald werden Unternehmen, die dachten, sie wären Marktführer, von Startups untergraben werden, die Kunden, Nutzern und Angestellten großartige UX-Designs bieten, bei denen keine Kompromisse im Hinblick auf bessere Erlebnisse gemacht wurden.

Belesenheit und fließende Beherrschung: Schlüssel, um sich weiterzubewegen

Eine Organisation, die den UX-Wendepunkt überschreiten will, muss sich zuerst in Sachen User Experience belesen machen und dann gewandt darin werden, tolle Nutzererlebnisse zu produzieren. Das passiert nicht mit einem Mal. Aber wenn es niemals passiert, wird das Unternehmen es nicht über den Wendepunkt hinaus schaffen.

UX-Design ist das Übersetzen von Intention: Welche Intention hat die Organisation dahingehend, wie ihr Nutzererlebnis sein soll? Zu realisieren, dass sie die Kontrolle über ihr UX-Design und über die Art haben, wie es die Nutzer beeinflusst, ist ein erstes Zeichen von Bewegung auf der Reise.

Das aktuelle Nutzererlebnis erfahren: Ist jeder Entscheidungsträger dem derzeitigen Nutzererlebnis ausgesetzt gewesen? Zu sehen, dass ihre Intention nicht das ist, was die User erleben, kann sie motivieren, in die Verbesserung der UX-Designs zu investieren.

Durchfaulende Nutzererlebnisse verhindern: Sehen die Stakeholder, dass bestimmte Entscheidungen das Nutzererlebnis in Zukunft verschlechtern werden? Über ein einzelnes Release hinaus zu denken und zu verstehen, dass neue Features heute am Ende mehr Komplexität bedeuten, ist essenziell, um beste Nutzererlebnisse zu entwickeln.

UX-Skills in der Organisation aufbauen: Haben Produkt- und Serviceteams das vollständige Set an Fähigkeiten, das nötig ist, um großartige Nutzererlebnisse zu liefern? Und zwar nicht nur Leute mit dem Titel UX-Designer, sondern jeder im Team, der Einfluss darauf hat, wie das UX-Design sein wird.

All dies bildet das zugrundeliegende Substrat, das der Organisation hilft, sich zu einem Punkt vorzuarbeiten, an dem sie fühlen, keine Kompromisse mehr im Hinblick auf gutes UX-Design machen zu müssen. Dadurch, dass sie verstehen, wie sie ihre Intention mit einem Team übersetzen, das vollauf befähigt in den modernen UX-Design-Praktiken ist, können Unternehmen regelmäßig großartige Nutzererlebnisse für ihre Kunden, User und Mitarbeiter ausliefern. Sie haben es über den UX-Wendepunkt hinaus geschafft.

Dieser Artikel wurde im Original am 12. November 2014 unter dem Titel Beyond the UX Tipping Point von Jared M. Spool veröffentlicht. Jared M. Spool gehört zu den führenden User-Experience-Experten unserer Zeit. Seine Website erreichen Sie unter http://www.uie.com. Weitere Artikel von Jared M. Spool finden Sie im Usability-Special von //SEIBERT/MEDIA.

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