Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat gerade das lang erwartete und von vielen Vorfeld-Spekulationen begleitete Urteil zum Keyword Advertising erlassen (EuGH, Urteil vom 23.03.2010, Rechtssachen C-236/08 bis C 238/08). Die Benutzung fremder Marken für das Keyword Advertising hat in den letzten Jahren für eine denkbar uneinheitliche Rechtsprechung im Markenrecht gesorgt. Das erhoffte Machtwort des Bundesgerichtshofs (BGH), der sich schließlich mit dieser Rechtsfrage zu befassen hatte, blieb damals aus.
Die spannende Frage „Markenverletzung – ja oder nein?“ wurde an den EuGH weitergereicht, da sie das europäisch harmonisierte Markenrecht betraf und daher auf europäischer Ebene zu klären war. Der EuGH war zu diesem Zeitpunkt bereits mit drei aus Frankreich vorgelegten Parallelverfahren befasst und hat die markenrechtliche Problematik des Keyword Advertising anhand dieser Verfahren entschieden – zumindest teilweise, wie gleich zu sehen sein wird.
Das Ergebnis kurz vorweg: Als strahlender Sieger ging nur Google aus dem Rechtsstreit hervor. Für Markeninhaber und Werbetreibende gab es eine Pattsituation: Der Konflikt um die Marken wird vor den nationalen Gerichten noch weiter geführt werden müssen.
Die Verfahren, die der EuGH zusammenfassend zu entscheiden hatte, betrafen Rechtsstreitigkeiten, bei denen die Markeninhaber den Suchmaschinenanbieter Google unmittelbar in Anspruch nehmen wollten, weil Google die betreffenden Marken seinen Werbekunden als buchbare Keywords zur Verfügung gestellt hatte.
Im ersten Verfahren ging es um die nicht ganz unbekannte Marke „Louis Vuitton“. „Louis Vuitton“ wurde als Keyword für eine Google-Anzeige genutzt, die zu einer Website verlinkt war, auf der Markenplagiate angeboten wurden. Die Anbieter der Markenplagiate waren – ein häufig auftretendes Problem für die Rechtsverfolgung – selbst nicht greifbar. Die Inanspruchnahme von Google durch den Markeninhaber war daher ein naheliegender Weg, um zumindest zu verhindern, dass die markenrechtsverletzenden Angebote weiterhin im Internet leicht auffindbar sind.
Die beiden anderen Verfahren waren mit den damaligen Verfahren des BGH nahezu identisch und betrafen AdWords-Anzeigen, die zu Mitbewerbern der Markeninhaber verlinkt waren, auf denen keine Markenplagiate, sondern lediglich Konkurrenzprodukte angeboten wurden.
Der EuGH hatte sich mit insgesamt drei Vorlagefragen zu befassen:
- Begeht der Werbetreibende eine Markenverletzung, wenn er eine fremde Marke für sein Keyword Advertising nutzt, um für Konkurrenzprodukte zur Marke oder gar für Markenplagiate zu werben?
- Begeht der Suchmaschinenbetreiber Google eine Markenverletzung, wenn er bekannte Marken als Keywords für den Dienst Google AdWords verfügbar macht?
- Kann Google für Markenverletzungen seiner Werbekunden zumindest mitverantwortlich gemacht werden?
1. Begeht der Werbetreibende eine Markenverletzung, wenn er eine fremde Marke für sein Keyword Advertising nutzt, um für Konkurrenzprodukte oder gar für Markenplagiate zu werben?
Für die Beantwortung der ersten Frage hatte der EuGH eine Wertung zu treffen, ob eine Marke überhaupt markenmäßig genutzt wird, wenn sie lediglich als Keyword für das Erscheinen der Anzeige dient, aber selbst nicht sichtbar ist. Eine Marke ist schließlich ein Instrument, mit dem Produkte gekennzeichnet, also „gelabelt“ werden.
Ob ein Keyword mit einem „Label“ vergleichbar oder ob es im markenrechtlichen Sinne neutral ist, entschied der EuGH recht zügig zugunsten des Markenschutzes: Für die markenmäßige Benutzung reiche es aus, dass eine Verbindung zwischen der fremden Marke und den eigenen Produktangeboten hergestellt würde, was bereits dann der Fall ist, wenn der Werbetreibende durch das Keyword seine eigenen Produkte als Alternative zu denen der eigentlich gesuchten Marke präsentiert.
Für den EuGH war die Frage interessanter, ob überhaupt die Funktion der Marke beeinträchtigt wird, wenn sie als Keyword für Googles AdWords-Programm genutzt wird. Nur eine Funktionsbeeinträchtigung der Marke sei eine Verletzung der Marke.
Die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Herkunft der Marke aus dem Unternehmen des Markeninhabers zu gewähren. Ob diese Herkunftsfunktion verletzt wird, hängt nach Ansicht des EuGH von der Feststellung ab, ob anhand der Anzeige für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internet-Nutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die in der Anzeige beworbenen Waren und Dienstleistungen vom Markeninhaber oder einem wirtschaftlich mit ihm verbundenen Unternehmen oder ob sie von einem Dritten stammen.
Diese Entscheidung wollte der EuGH jedoch in seinen Verfahren nicht selbst treffen, sondern der Rechtsprechung der nationalen Gerichte überlassen. Lediglich ein paar kleine Hinweise gab er den Gerichten mit auf den Weg: Bei der Beurteilung einer möglichen Irreführung über die Herkunft der Anzeige müsse berücksichtigt werden, dass die fragliche Anzeige sofort erscheint, sobald ein Internetnutzer die Marke als Suchwort eingegeben hat.
Weiterhin erscheine die Anzeige zeitgleich mit der noch als Suchwort sichtbaren Marke. Der Eindruck, dass eine konkrete Verbindung zwischen den beworbenen Produkten und der als Keyword eingesetzten fremden Marke bestünde, sei daher möglich. Darüber hinaus müsse gerade im elektronischen Geschäftsverkehr das Bedürfnis nach Transparenz bei Anzeigen im Internet berücksichtigt werden.
2. Begeht der Suchmaschinenbetreiber Google eine Markenverletzung, wenn er bekannte Marken als Keywords für den Dienst Google AdWords verfügbar macht?
Die Frage verneinte der EuGH hingegen eindeutig: Der Suchmaschinenbetreiber speichere lediglich die mit der Marke übereinstimmenden Keywords und sorge dafür, dass anhand dieser Keywords die Anzeigen des Werbetreibenden erscheinen. Google selbst benutze die Marken nicht, sondern ermögliche höchstens die Nutzung durch seine Werbekunden.
3. Kann Google für Markenverletzungen seiner Werbekunden zumindest mitverantwortlich gemacht werden?
Die dritte Frage, die der EuGH zu klären hatte, wird dann relevant werden, wenn die nationalen Gerichte in der Benutzung der Marke durch Werbetreibende für ihr Keyword Advertising tatsächlich eine Markenrechtsverletzung sehen. Insofern könnte daran zu denken sein, dass Google zwar nicht für die Speicherung und Bereithaltung der Keywords, aber für die Mitwirkung an der Markenverletzung durch Werbetreibende in Anspruch genommen werden kann.
Der EuGH beantwortete auch diese Frage eindeutig: Solange Google keine aktive Rolle bei der Nutzung der fremden Marke als Keyword übernimmt, weder Kenntnis noch Kontrolle über die gespeicherten Daten besitzt und sich auf die rein technische Bereitstellung des Dienstes beschränkt, ist eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit ausgeschlossen. Eine Haftung des Diensteanbieters Google kommt nur dann in Betracht, wenn ihm die Markenverletzung bekannt geworden ist und er daraufhin die markenverletzenden Keywords nicht entfernt oder er den Zugang zu diesen Keywords nicht sperrt.
Fazit:
Markeninhaber müssen noch länger mit dem Problem leben, dass Google die Buchung ihrer Marken als Keywords zulässt. Ob die Markeninhaber sich gegen die Werbekunden zu Wehr setzen können, die ihre Marken als Keywords buchen, ist zunächst offen geblieben und wird durch die nationalen Gerichte noch zu entscheiden sein.
Falls die nationalen Gerichte eine Markenverletzung bejahen – was nach den Hinweisen des EuGH nicht unwahrscheinlich ist –, wird Google zukünftig auf Hinweise der Markeninhaber auf eine erfolgte Markenverletzung zu reagieren haben und die entsprechenden Keywords sperren müssen. Es bleibt also weiterhin spannend.
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