Heise berichtete kürzlich über die veränderte Gesetzeslage bei der Kennzeichnung von Geschäftsbriefen. Demnach müssen Kaufleute seit dem 1. Januar diesen Jahres jegliche Geschäftsbriefe, und seit Neuestem auch Emails, mit den Informationen ausstatten, die bislang auf gedruckten Briefen in der Fußzeile zu finden waren. Dazu zählen die Bezeichnung der Firma, der Sitz ihrer Handelsniederlassung, die Nummer, unter der sie im Handelsregister eingetragen ist, und das zuständige Handelsgericht. Zudem müssen auch die Geschäftsführer, Aufsichtsratsvorsitzenden und Vorstandsmitglieder namentlich genannt werden. Werde diese Regelung nicht eingehalten, könnten Abmahnungen mit nicht unerheblichen Geldstrafen die Folge sein.
Muss nun also die E-Mail-Signatur jedes Mitarbeiters um die genannten Informationen erweitert werden? Dann laufen wir wohl bald Gefahr, dass die Signatur am Ende einer Mail im Durchschnitt länger wird als der eigentliche Inhalt.
Ob sinnvoll oder nicht, scheinbar wird die Situation der neuen Formalitätenregelung bereits von findigen Abmahnanwälten und zwielichtigen Unternehmen für eigene Zwecke genutzt. So berichtet heise Anfang Februar von einem Unternehmen, das bereits fleißig Abmahnungen an vermeintliche Konkurrenten verschickt. Ob dieses Vorgehen rechtlich Bestand hat, ist jedoch noch nicht geklärt. Heise verweist auf den Artikel eines Rechts-Experten, und kommt zu dem Schluss:
"Ob Verstöße gegen die Pflichtangaben in E-Mails überhaupt wettbewerbsrechtliche Ansprüche von Mitbewerbern auslösen und damit derartige Abmahnungen berechtigt wären, wird von den meisten Juristen ohnehin bezweifelt."
Ein weiterer fraglicher Punkt bei der neuen gesetzlichen Regelung ist zudem die Definition des Begriffs "Geschäftsbrief". Betroffen von der Kennzeichnungspflicht sind nämlich jegliche Art von Geschäftsbriefen, also Rechnungen, Angebote, Auftrags- und Anfragebestätigungen, Bestell- und Lieferscheine sowie Quittungen.
Diese wichtigen Dokumente werden in den meisten Firmen in der Regel jedoch auf Papier verschickt oder aber auf dem elektronischen Weg als eigenes Dokument (meist im PDF-Format und auf dem firmeneigenen Briefpapier) an eine E-Mail angehängt. Und das firmeneigene Briefpapier enthält die geforderten Informationen üblicherweise bereits in der Fußzeile. Im Normalfall ist es für den alltäglichen Schriftverkehr also unnötig, die Signatur der Mail mit Handelsregisternummer oder Ähnlichem vollzupacken.
Zur Definition des Begriffs "Geschäftsbrief" schreibt Dr. Ulrich Noack, Professor an der Universität Düsseldorf, in einem Artikel:
"Nicht alles was vom Account des Unternehmens kommt ist schon deshalb geschäftlicher Natur. Maßgebend ist der Inhalt. Keineswegs ist m.E. jede E-Mail eines Mitarbeiters ("Termin um 14 Uhr wird bestätigt") ein Geschäftsbrief des Unternehmens. Es muss sich schon um eine Angelegenheit von gewissem Gewicht, um eine rechtlich erhebliche (nicht: verbindliche) Erklärung, handeln. Wenn allerdings ein Mitarbeiter in diesem Sinne nach außen per E-Mail kommuniziert, dann liegt ein Geschäftsbrief vor."
Ein weiterer Punkt, der gegen die Berechtigung einer Abmahnung spricht, ist das Problem des Nachweises: Solange der Absender jeder Email beliebig manipuliert werden kann, ist es fraglich, ob überhaupt eine rechliche Grundlage für eine Abmahnung besteht. Schließlich kann jeder, der sich ein wenig auskennt, eine Mail im Namen eines anderen verschicken. Der Absender einer Mail kann individuell gestaltet und beliebig eingesetzt werden. Demnach müsste erst einmal der Nachweis erbracht werden, dass eine Mail tatsächlich von dem vermeintlichen Absender stammt.
Eine Abmahnung ist nur dann berechtigt, wenn der Abgemahnte gegen das Wettbewerbsrecht verstößt. Die Abmahnung darf lediglich von einem tatsächlichen Konkurrenten erfolgen, der daraus einen tatsächlichen Wettbewerbsnachteil hat. Ein solcher Fall lässt sich jedoch nur schwer vorstellen.
Empfehlung:
- Alle Unternehmen, die Angst vor einer Abmahnung haben, können die zusätzlichen Angaben in die Email-Signatur einbauen (Firmenname, Handelsregister-Nr., Sitz des Registergerichts, Namen der Geschäftsführer usw.). Schaden tut es jedenfalls nicht.
- Rechtlich gesehen ist dies jedoch im alltäglichen Email-Verkehr nicht notwendig, falls weiterhin wichtige Dokumente, die unter die Rubrik "Geschäftsbrief" fallen, nicht nur in einer Email, sondern als eigenes Dokument und auf dem üblichen Firmenbriefpapier (inklusive Fußzeile mit Pflichtangaben) erstellt und verschickt werden.
Weitere Informationen:
- Heise-Artikel: Geschäftsbriefe per E-Mail: Vorsicht, Abmahnfalle
- Blog-Artikel bei MCNeubert lawblog: Pflichtangaben in E-Mails
- Artikel auf Handelsblatt.com: Deutschen Firmen droht Abmahnwelle
- Quellensammlung bei Dr.Web: Erste Hilfe bei Abmahnungen
- Artikel bei absatzwirtschaft online: Unternehmen sollten Abmahnwelle verhindern
- Artikel von Prof. Dr. Ulrich Noack: Sind alle E-Mails aus einem Unternehmen auch "Geschäftsbriefe"?
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