Ein wedelnder Schwanz ist nicht gleich ein wedelnder Schwanz
Die besten Beispiele für zwei, die aneinander vorbeireden, sind Hund und Katze. Während das Wedeln eines Hundes Freude und offenes Interesse signalisiert, ist das Wedeln einer Katze Ausdruck von Aggression, ein Warnsignal. Analog dazu bedeutet die aufgestellte Rute einer Katze Behagen und Frohsinn, während der Hund auf diese Weise Obacht und Angriffsbereitschaft deutlich macht.
Kein Wunder, dass es zwischen den beiden so oft zu chaotischen Missverständnissen kommt, die darin begründet liegen, dass sie unterschiedliche Sprachen sprechen und die Bedürfnisse des Gegenübers falsch interpretieren.
Auch bei uns Menschen kommt es bekanntlich ständig vor, dass wir aneinander vorbeireden und ungewollt kommunikative Missverständnisse herbeiführen. Selbst wenn beide Parteien eigentlich dasselbe erreichen möchten und nach bestem Wissen und Gewissen an der Lösung eines Problems arbeiten wollen, missverstehen sie sich mitunter aufs Gründlichste.
Leider ist dieses Phänomen unter anderem im Bereich der Software-Entwicklung keine Seltenheit, wie aus dem aktuellen “State of Developer Experience”-Report hervorgeht, mit dem Atlassian im Jahresrhythmus aktuellen Trends und Herausforderungen im Entwicklungsbereich nachspürt.
Ein Verständnisgraben zwischen Teams und Leadern
Nur 44 Prozent der Mitglieder in Entwicklungsteams gehen davon aus, dass ihre Führungskräfte sich über die Herausforderungen im Klaren sind, die zu einer schlechten Developer Experience führen. Anders ausgedrückt: Divergierende Vorstellungen zwischen Entwicklungsteams und ihren leitenden Verantwortlichen sind eine wesentliche Ursache für eine suboptimale Developer Experience – und, eng damit verbunden, eine schlechte Produktivität.
Glücklicherweise sind wir über die Zeit hinaus, in der eine positive Developer Experience als Anschaffung eines Kickertischs und eines monatlichen Pizza-Freitags interpretiert wurde. Führungskräfte im Entwicklungsbereich verstehen, dass es nicht um ein paar Symbole geht, die sowieso längst selbstverständlich sind, sondern darum, lästige, anstrengende und frustrierende Reibungsverluste in der täglichen Arbeit zu reduzieren.
Für den “State of Developer Experience”-Report haben Atlassian und die Engineering-Intelligence-Plattform DX mehr als 2.100 Personen aus dem Software-Bereich über unterschiedliche Branchen hinweg befragt und so einen aktuellen Eindruck gewonnen, wo die Dinge flüssig laufen und wo es hakt.
Um es vorweg zu nehmen: Es sind diverse Herausforderungen zu lösen und Fehleinschätzungen zu klären! Hier sind die zentralen Erkenntnisse.
Antworten, die nachdenklich machen
Der Report zeigt, dass volle 97 Prozent der Mitglieder in Entwicklungsteams signifikante Zeitverluste durch Ineffizienz erleben - und die Mehrheit denkt darüber nach, aufgrund einer schlechten Developer Experience den Job zu wechseln. Das ist in der Tat alarmierend!
Dabei sind sich Teams und Führungskräfte grundsätzlich einig darüber, wie wichtig eine positive Developer Experience ist. Weniger Einigkeit besteht indes dahingehend, welche Aspekte in diesem Zusammenhang am dringlichsten verbessert werden sollten.
Ein Beispiel für die unzureichende Verbindung zwischen Teams und ihren Leadern ist die Sicht auf künstliche Intelligenz. Während die meisten Führungskräfte glauben, dass KI den effektivsten Weg bildet, um Produktivität und Zufriedenheit zu steigern, geben zwei von drei Teammitgliedern an, dass sie derzeit noch keine signifikanten Produktivitätsgewinne durch die Nutzung von KI-Tools erleben. Trotz bester Intentionen bergen Lücken wie diese das Potenzial, dass Kosten und Mühen in Initiativen investiert werden, die sich den falschen Problemen widmen.
Dringen wir ein wenig ins Detail.
Entwicklungsteams büßen viel Zeit durch Reibungsverluste ein
69 Prozent der Teammitglieder verlieren acht oder gar mehr Stunden pro Woche aufgrund von Ineffizienz. Das ist ein Fünftel der Arbeitszeit! Noch besorgniserregender ist indessen, dass weniger als die Hälfte der Teammitglieder glaubt, dass die Führungskräfte sich dieses Problems bewusst sind.
Ebenfalls weniger als die Hälfte der Teammitglieder nimmt wahr, dass ihre Unternehmen die Developer Experience angemessen hoch priorisieren.
Hier besteht eine grundsätzlich unterschiedliche Wahrnehmung. Die meisten Teammitglieder machen für ihre Zeitverluste technische Schulden oder unzulängliche Dokumentationen verantwortlich, während Führungskräfte die Unterbesetzung der Teams, die Erweiterung der Entwickler*innenrolle und den benötigten Umfang an technischem Know-how als Ursachen angeben.
Diese Diskrepanz birgt zwei riskante Folgen: Erstens löst sie in den Teams Frustration aus; zweitens führt sie dazu, dass Führungskräfte Gefahr laufen, an der Lösung von Problemen zu arbeiten, die gar keine sind. Die Konsequenz: Die Lücke wird noch größer und wertvolle Ressourcen werden verschwendet.
Darüber hinaus geben die meisten Führungskräfte an, dass ihre Metriken, die sie erheben und nachverfolgen, die Entwicklungsproduktivität nicht effektiv messen; in vielen Fällen scheint es zu einer Vermischung von Produktivität und Experience zu kommen. Das ist maximal unglücklich, denn auf der anderen Seite sehen 63 Prozent der Teammitglieder die Developer Experience als ausschlaggebenden Faktor für die Entscheidung an, ob sie in ihren aktuellen Jobs bleiben wollen: Zwei von drei denken darüber nach, ihre Rollen zu verlassen, wenn sie mit der Developer Experience nicht zufrieden sind.
Investitionen in Developer Experience
Produktivität und Experience sind einerseits durchaus miteinander verflochten, andererseits wiederum hoch kontextuell. Es gibt nicht die eine Metrik, die alles abbildet.
So wichtig ist die Developer Experience den befragten Teammitgliedern:
Hier können Unternehmen aktiv und wirksam den Weg bereiten – das zeigt das Beispiel Atlassian. Der Software-Hersteller investiert umfangreich in die Developer Experience und hat sich zum Ziel gesetzt, die Teammitglieder ins Zentrum des Prozesses zu rücken. Das Resultat: Die Zufriedenheit der Teams ist innerhalb von zwei Jahren von 49 Prozent auf 74 Prozent gestiegen!
Die Fokussierung auf den sogenannten Developer Joy kann die Developer Experience auf ein neues Level heben. Ein geringerer Zeitverlust aufgrund von Hindernissen und Ineffizienz korreliert mit einer höheren Zufriedenheit mit den Developer-Experience-Investitionen. Das bedeutet nicht nur eine Verbesserung der Produktivität, sondern auch eine grundsätzlich verbesserte Stimmung der Angestellten.
Der allererste Schritt im Hinblick auf die Nachverfolgung, die Messung und die Verbesserung der Developer Experience besteht darin, mit den Teams in den Austausch zu treten. Führungskräfte können ihnen nicht wirksam helfen, wenn sie ihre Nöte und Herausforderungen nicht verstehen.
KI und die Produktivität
Leader sind der Ansicht, dass künstliche Intelligenz den effektivsten Weg bildet, um Produktivität und Zufriedenheit zu steigern. Die Teammitglieder wiederum zeigen sich hier momentan noch skeptisch: Wie eingangs bereits erwähnt, erleben zwei von drei Angestellten noch keine maßgeblichen Produktivitätszuwächse durch die Nutzung von KI-Lösungen.
Dies sind die Bereiche, in denen Führungskräfte die größten Potenziale für mehr Produktivität und Zufriedenheit sehen (Mehrfachangaben waren möglich):
Und wie bewerten die Teammitglieder die Verbesserung der Produktivität durch KI?
KI hat das Potenzial, das Entwicklungshandwerk zu verbessern, indem sie technische Schulden adressiert, die manuelle Belastung reduziert, Dokumentationslücken schließt und Unterbrechungen vermeidet. Doch um zu verstehen, wie KI die Developer Experience positiv beeinflussen kann, müssen Führungskräfte über die Generierung von Code hinaus denken. Sie müssen die Bedürfnisse in jedem Bereich separat analysieren und effektive, passende Lösungen anbieten.
Es ist wichtig, dass Leader die Entwicklungsteams nach Reibungspunkten fragen und dann Tools implementieren, die konsistente Feedbackschleifen erzeugen, die kognitive Last begrenzen und die Voraussetzungen für Flow schaffen.
Strategien zur Verbesserung der Developer Experience
Die Gräben zwischen den Entwicklungsteams und ihren Führungskräften sind also unübersehbar. Gibt es Lichtblicke? Ja, denn nicht alles ist schlecht! Der “State of Developer Experience”-Report lässt Rückschlüsse darauf zu, wie Leader die Produktivität auf eine Art und Weise messen und verbessern können, die den Sorgen der Teammitglieder tatsächlich Rechnung trägt. Und die beste Strategie zur Optimierung der Developer Experience ist gleichzeitig die einfachste.
Entwicklungsteams wollen produktiv sein. Wenn du als Führungskraft sie geradeheraus fragst, was verbessert werden muss, werden sie es dir wahrscheinlich unverblümt sagen. Der Versuch, an der Developer Experience zu arbeiten, ohne mit den Teammitgliedern ins Gespräch zu kommen, dürfte in aller Regel auf Stochern im Nebel hinauslaufen.
Die Herstellung eines Alignments zwischen Teams und ihren Führungskräften darüber, welche Aspekte angepackt werden sollten, ist ein kritischer Schritt auf dem Weg zur Priorisierung der wertvollsten Bemühungen und Initiativen mit den größtmöglichen positiven Auswirkungen.
Entwicklungsteams sehen sich mit stetig steigender Komplexität konfrontiert; Organisationen müssen mit engeren Budgets auskommen und unterliegen dem Druck, die Produktivität zu maximieren. Angesichts dieser Gemengelage ist die Verbesserung der Developer Experience wichtiger denn je. Wenn hier die Interessen der Teams und der Führungskräfte sich decken, steigen quasi automatisch die Chancen auf mehr Effektivität, Produktivität und Unternehmenserfolg.
Allerdings sollten sich beide Seiten von der Idee verabschieden, dass die Verbesserung der Developer Experience ein linearer Prozess wäre. Es wird definitiv Ereignisse oder Vorfälle geben, die die Stimmung so oder so beeinflussen. Der wichtigste Faktor ist, dass die Teammitglieder das Gefühl haben, mit ihren Herausforderungen verstanden zu werden: Das Unternehmen tut das Mögliche, um sie zu bestmöglicher Arbeit zu befähigen und zu ermächtigen.
Weiterführende Infos
Moderne Softwareentwicklung: Integrative Verbesserungen in Jira, Compass und Bitbucket
Jira Work Suggestions: Mehr Effizienz und eine bessere Developer Experience für Entwicklungsteams